Geleitwort der Pfarrerin Oktober-November 2025

 

„Gott spricht: Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken.“

 

(Hesekiel 34,16; Monatsspruch November) 

Liebe Gemeinde, 

„Hauptsache gesund!“ – Hat das schon mal jemand zu Ihnen gesagt? Vielleicht als Wunsch zum Geburtstag oder beim Smalltalk am Gartenzaun? Der Satz ist gut gemeint, aber er kann schmerzhaft sein. Denn was heißt er für diejenigen, die nicht gesund sind – nicht mehr, noch nicht oder vielleicht nie wieder? Haben sie dann die „Hauptsache“ des Lebens verpasst?

Ich glaube nicht, dass man die Menschen in zwei Gruppen einteilen kann: in die Gesunden und die Kranken. Kranksein gehört zum Leben, es ist ein normaler Zustand unter anderen. Mal sind Krankheiten sichtbar, mal sind sie verborgen. Mal gibt es eine Aussicht auf Besserung, mal aber auch nicht. Kranke Menschen leben, lieben, arbeiten, kümmern sich um andere, machen weiter, gehen ihren Weg – ganz normal – mit Einschränkungen, mit Schmerzen, mit inneren Wunden.

Gerade ihnen gilt dieser Monatsspruch: „Ich will das Verwundete verbinden und das Schwache stärken.“ Gott sagt das durch den Propheten Hesekiel in einer Zeit großer Orientierungslosigkeit. Die sogenannten „Hirten Israels“, also die politisch und geistlich Leitenden, haben versagt. Sie haben das Volk sich selbst überlassen. Die Schwachen blieben auf der Strecke. Gott sagt dazu sinngemäß: „So geht das nicht weiter. Ich übernehme. Ich werde selbst zum Hirten. Ich kümmere mich um euch.“

Heißt das, dass Gott alle Krankheiten heilt? Dass er die Menschen immer vor Schmerzen bewahrt? Die Bibel erzählt etwas anderes. Und auch unsere Erfahrungen sprechen eine andere Sprache. Es gibt keine Garantie auf körperliche und seelische Gesundheit. Aber es gibt eine tiefere Form von Heilsein – eine, die auch dann trägt, wenn Körper oder Seele schwach sind.

Anne Schneider, die Frau des ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider, hat einmal – nach einer Krebserkrankung – gesagt: „Die Nähe zu Gott bewirkt nicht unbedingt körperliche Gesundheit, (...). Wer so denkt, wird nie Gottvertrauen entwickeln. Das Heil und die Heilung, die ich mir von Gott wünsche, beziehen sich auf meine Fähigkeit, zu hoffen, zu glauben und zu lieben.“

Heil sein meint: Gehalten sein und in Beziehungen leben. Besonders in der Beziehung zu Gott. Gott geht mit – mit allem, was heil geblieben ist, mit dem, was gelingt und trägt, und auch mit allem, was verwundet oder verloren ist.

In der Dunkelheit des Herbstes, in der bedrückenden Weltlage, im Alltag voller Sorgen gilt diese Zusage: Gott sieht dich. Gott sucht dich. Gott verbindet deine Wunden. Gott hilft dir und stärkt dich. Nicht erst dann, wenn du wieder gesund bist, sondern jetzt. Heute. Genau da, wo du gerade stehst. Mitten in deinem Leben, in deinem Körper und deiner Seele. 

               
Ihre Pfarrerin Anne Kampf